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Verantwortungseigentum: Purpose als Geschäftszweck

Lesedauer: 4 Min.

Verantwortungseigentum erlaubt werteorientierten Unternehmen, nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes Wirtschaften vor die reine Profitmaximierung zu stellen. Aber was ist Verantwortungseigentum genau? Wie funktioniert es in der Praxis? Und inwieweit ist es für Anleger*innen interessant? Wir haben uns die „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ genauer angeschaut.

Der Weg in die Purpose Economy

Das Streben nach einer Wirtschaft, die den nachhaltigen Sinn des Wirtschaftens in den Mittelpunkt stellt, treibt mehr und mehr Menschen um. In einer Sinn-Ökonomie handeln Unternehmen entgegen dem klassischen Shareholder-Ansatz nicht mehr profitmaximierend, sondern werteorientiert und einer langfristigen Mission verpflichtet: zum Wohl der Allgemeinheit und zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Ein Treiber dieser „Purpose Economy“ ist Verantwortungseigentum.

Unternehmer sind Treuhänder

Verantwortungseigentum als Alternative zu klassischen Eigentumsstrukturen erlaubt Unternehmer*innen, ihre Geschäftsaktivitäten im Sinne einer „Gemeinwohl-Ökonomie“ zu entwickeln. Die Idee: die Kontrolle über ein Unternehmen und dessen strategische Entscheidungen bei Menschen zu belassen, die in diesem Unternehmen arbeiten oder die ihm eng verbunden sind. Die Eigentümer besitzen Verantwortung in Form von Stimm- und Teilhaberechten. Sie partizipieren aber weder am Gewinn, noch gehört ihnen ein Teil des Unternehmensvermögens. Unternehmer fungieren damit praktisch als Treuhänder.

Rechtssichere Eigenständigkeit und Vermögenssperre

Verantwortungseigentum baut auf langfristige Eigenständigkeit und ist damit vom Prinzip her dem Familienunternehmen ähnlich. Der Unterschied: Die Unternehmensverantwortung obliegt hier nicht der „genetischen“ Eigentümerfamilie, sondern einer „Fähigkeiten- und Werteverwandtschaft“. Verantwortungseigentum beruht dabei auf zwei zentralen Prinzipien:

  • Das Selbstbestimmungsprinzip stellt sicher, dass Stimmrechte nicht automatisch vererbt werden und nicht als Spekulationsgut gehandelt werden können. Die Kontrolle behalten Personen, die dem Unternehmen langfristig verbunden sind.
  • Das Sinnprinzip betrachtet Gewinne nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck und stellt durch einen „Asset Lock“ – eine Vermögenssperre – sicher, dass sie in die Entwicklung des Unternehmens reinvestiert oder gemeinnützig gespendet werden.

Geeignete Rechtsform fehlt noch

In Deutschland befinden sich rund 200 Unternehmen in Verantwortungseigentum. Allerdings gibt es bislang im deutschen Recht keine Gesellschaftsform, mit der sich Verantwortungseigentum unmittelbar abbilden lässt. Deshalb kommen Konstruktionen wie Doppelstiftungsmodelle und aufwendige GmbH- oder Veto-Anteil-Strukturen zum Einsatz. Solche Konstruktionen sind kompliziert und kostenintensiv, was gerade kleine und mittelständische Purpose-Unternehmen an ihre Grenzen bringt. Die Stiftung Verantwortungseigentum fordert daher seit ihrer Gründung 2019 eine entsprechende Rechtsform – und hat Verantwortungseigentum zum Thema der Politik gemacht.

Rückenwind für GmgV

So hat die Ampelregierung die Einführung einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ (GmgV) in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. 22 Verbände haben in einem gemeinsamen Positionspapier dargelegt, warum eine solche Rechtsform den Wirtschaftsstandort Deutschland besonders im Bereich des Mittelstandes stärken würde. Vor allem für das Problem der Unternehmensnachfolgen sieht man eine Chance: Nachfolgen würden sich auch außerhalb der Gründerfamilie einfacher und im Sinne des Unternehmens besser regeln lassen. Denn bei der Entscheidung für einen Nachfolgekandidaten müsste nicht mehr dessen Finanzkraft als Entscheidungskriterium den Ausschlag geben. Nachfolger in einer GmgV könnten vielmehr aufgrund ihrer qualitativen Eignung und ihrer Verbundenheit mit dem Unternehmen ausgesucht werden.

Wachstum finanzieren mit Vermögensbindung

Die Vermögensbindung ist zwar ein Grundprinzip von Verantwortungseigentum. Gewinne können allerdings „limitiert” entnommen werden, damit Verantwortungseigentümer eine faire Kompensation für ihren Einsatz im Unternehmen bekommen. Ebenso erlaubt das, Anlegern eine risikoadäquate Verzinsung für ihre Geldeinlagen zu bieten. Denn auch wenn das Sinnprinzip die Reinvestition von Gewinnen zum Zwecke der Unternehmensentwicklung vorschreibt: Kapitalbeschaffung für Wachstum ist auch für Unternehmen in Verantwortungseigentum Thema. Dabei sind sie eingeschränkter als Unternehmen mit klassischen Gesellschaftsformen. Trotzdem stehen ihnen verschiedene Wege für eine externe Finanzierung offen:

  • Eigenkapital in Form von stimmrechtlosen Anteilen mit Recht auf Dividenden
  • Eigenkapital als Rückkaufoption mit gedeckeltem Rückkaufpreis
  • Anleihen
  • Nachrangdarlehen

Der wesentliche Unterschied bei der Finanzierung mit externem Eigenkapital zu klassischen Kapitalerhöhungen: die Entscheidung über Dividendenausschüttungen bleibt bei den Verantwortungseigentümern und geht nicht auf die Eigentümern der Dividendenrechte über, wie es bei Aktien der Fall ist.

In Verantwortungseigentum investieren

Verantwortungseigentum ermöglicht Wertegetriebenen, in Unternehmen zu investieren, deren soziale oder umweltbezogene Ziele sie teilen. Weil der Unternehmenszweck nicht die Gewinnmaximierung ist und Vermögen in der Unternehmensentwicklung gebunden, sind Renditen, Investitionsbedingungen und Zeithorizonte in der Regel allerdings nicht mit denen klassischer Impact-Investments zu vergleichen. Dazu kommt, dass das Prinzip des „Magischen Dreieck“ hier ausgesetzt ist: Weil Renditechancen in der Regel gedeckelt sind, führt ein höheres Risiko nicht automatisch zu höheren Zinserträgen oder kürzeren Laufzeiten. Für Anleger, denen Werte und Wirkung ihres Investments wichtig sind, kann es dennoch attraktiv sein, Verantwortungseigentum zu finanzieren: Sie unterstützen ein sinnorientiertes Unternehmen, bekommen eine faire Rendite – und gestalten den Wandel zu einer Wirtschaft mit, die dem Gemeinwohl dient.

WEtell: Unternehmen im Verantwortungseigentum

Der nachhaltige Mobilfunkanbieter WEtell hat diesen Wandel bereits vollzogen: Seit 2022 sind die Freiburger Unternehmen in Verantwortungseigentum. Dafür hat WEtell der Purpose Stiftung ein Prozent der Unternehmensanteile und ein Ein-Prozent-Vetorecht übertragen. WEtell zeigt seit seiner Gründung, dass werteorientierter Mobilfunk als Geschäftsmodell funktioniert. Statt Profitmaximierung gibt es maximalen Datenschutz und klimaneutrales Wirtschaften. Seit 2021 bilanziert WEtell nach den Richtlinien der Gemeinwohl-Ökonomie. Im Verantwortungseigentum können die Gründer ihre Werte konsequent weiterverfolgen – und die Purpose Economy mit aufbauen.

Fazit:

Verantwortungseigentum erfordert Idealismus – bei Unternehmen wie bei Investoren. Wertorientierten erlaubt es, den Wandel zu einer neuen, dem Gemeinwohl dienende Wirtschaftsform mitzugestalten. Die Einführung der GmgV als Gesellschaftsform könnte Purpose als Geschäftszweck vom Nischenthema zum neuen Narrativ werden lassen.

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