Crowdinvestments: Warum Sie Ihr Geld verlieren können Bild: Foto von Karolina Grabowska

Direktinvestments: Warum Sie Ihr Geld verlieren können

Bei Vermögensanlagen oder Wertpapieren stellen Anleger*innen einem Unternehmen Kapital für definierte Ausgaben zur Verfügung. Im Gegenzug erhalten sie zu vertraglich vereinbarten Terminen Zinsen und Tilgungszahlungen – wenn alles wie geplant läuft. Denn die Investor*innen übernehmen auch einen Teil des unternehmerischen Risikos. Gerät das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage und es kommt zum Insolvenzfall, kann dies einen Totalverlust des Geldes bedeuten. Wir erklären, warum.

Dieser Artikel soll Ihnen unter anderem dabei helfen, die Risiken eines Angebotes besser zu verstehen. Die Aufzählung einiger Risiken hat keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Beachten Sie daher bitte in jedem Fall unsere generellen Risikohinweise einschließlich unserer „Hinweise des Plattformbetreibers“ sowie die jeweiligen projektspezifischen Risikohinweise im Rahmen der einzelnen Investitionsangebote. Das Einstellen eines Projekts auf der Plattform stellt keine Investitionsempfehlung dar.

Was genau bedeutet „nachrangig“?

Bei sogenannten „nachrangigen“ Investments stehen die Gläubiger mit ihren Ansprüchen im Rang hinter allen anderen Geldgebern des gleichen Schuldners, für die kein Nachrang gilt. Der sogenannte „qualifizierte Nachrang“ bedeutet zum einen, dass Gläubiger im Insolvenz- und im Liquidationsfall ausstehende Zahlungen erst dann erhalten, wenn alle anderen, nicht qualifiziert nachrangigen Gläubiger ausgezahlt sind. Zum anderen gilt auch schon im Vorfeld der Insolvenz des Schuldners eine sogenannte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre: Qualifiziert nachrangige Forderungen können gegenüber dem Schuldner bereits dann nicht geltend gemacht werden, wenn dies für den Schuldner einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde oder wenn in diesem Zeitpunkt bereits ein solcher Insolvenzgrund vorliegt. Nachrangig ausgestaltete Wertpapiere und Vermögensanlagen beinhalten damit ein beträchtliches Risiko.

Sind Direktinvestments trotz Risiko attraktiv?

Ob mit oder ohne Nachrang können Direktinvestments vor allem aus zwei Gründen dennoch attraktiv für Investoren sein: Erstens ermöglichen sie ihnen, Projekte finanziell zu unterstützen, deren Realisation ansonsten wahrscheinlich deutlich anspruchsvoller wäre. Zweitens bieten sie häufig dem Risiko entsprechend attraktive Zinsen. Anleihen können anders als die meisten Vermögensanlagen auch nicht-nachrangig ausgestaltet werden. Das Risiko eines Totalverlusts verringert sich damit.

Was passiert im Insolvenzfall?

Entwickelt sich das Investment wie geplant, merken Investoren wenig von ihrem Nachrangstatus. Anders sieht es aus, wenn der Emittent in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät oder es sogar zum Insolvenzfall kommt. Der tritt ein, wenn ein Unternehmen seine Forderungen nicht mehr bedienen kann. Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, greift eine in der Insolvenzordnung festgelegte Rangfolge für Zahlungen an Gläubiger des Unternehmens:

  1. Besicherte Forderungen
  2. Unbesicherte, nicht nachrangige Forderungen
  3. Gesetzlich nachrangige Forderungen wie etwa Gesellschafterdarlehen
  4. Vertraglich nachrangige Forderungen wie bestimmte Vermögensanlagen, insbesondere Genussrechte und Nachrangdarlehen, oder nachrangige Anleihen

Eigenkapitalgeber (z. B. Aktionäre) erhalten erst Mittel ausgezahlt, nachdem die Forderungen der Gläubiger (Fremdkapitalgeber) berichtigt sind.

Sollte das Unternehmen zahlungsunfähig werden, gibt es klare Regelungen für die Bedienung offener Forderungen. Unter den nachrangigen Gläubigern wird nur das Vermögen aufgeteilt, das übrig ist, wenn sie an der Reihe sind. Häufig reicht allerdings das Vermögen eines insolventen Schuldners nicht zur Befriedigung aller nicht nachrangigen Gläubiger aus.

Was ist das Besondere an „qualifiziert“ nachrangiger Ausgestaltung?

Bei „qualifiziert“ nachrangig ausgestalteten Wertpapieren und Vermögensanlagen macht sich der Rangstatus schon früher bemerkbar. Grund ist die sogenannte „vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre“. Sie soll im Vorfeld vermeiden, dass ein Unternehmen in die Insolvenz fällt. Deswegen können qualifiziert nachrangige Forderungen nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt des Zahlungsverlangens zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder dies durch die Zahlung zu werden droht. Das Unternehmen darf die qualifiziert nachrangigen Forderungen nur aus künftigen Jahresüberschüssen, einem etwaigen Liquidationsüberschuss oder sonstigem freien Vermögen begleichen.

Mit anderen Worten: Es müssen ausreichend liquide Mittel vorhanden sein, die das Unternehmen nicht an anderer Stelle braucht, um sich aus seiner Schieflage zu befreien. Unter Umständen müssen die Investoren auf ihre Zins- und Tilgungszahlungen vorübergehend verzichten, bis das Unternehmen wieder zu deren Erbringung in der Lage ist. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Investor die Zins- und Tilgungszahlungen im Ergebnis aufgrund des Nachrangs endgültig nicht mehr erhält, sodass sich das Verlustrisiko realisiert.

Inwiefern sind qualifiziert ausgestaltete Wertpapiere und Vermögensanlagen eine unternehmerische Finanzierung?

Bei qualifizierter Nachrangigkeit dürfen Investoren ihre Nachrangforderungen also nicht geltend machen, wenn sich dadurch ein Insolvenzgrund ergeben würde. Damit übernehmen sie eine unternehmerische Finanzierungsverantwortung: Sie verpflichten sich vertraglich dazu, ihre Investition auch dann im Unternehmen zu belassen, wenn sich dieses in einer wirtschaftlichen Schieflage befindet. So stellen sie ihm weiterhin die Liquidität zur Verfügung, die es benötigt, um andere Gläubiger zu befriedigen und seinen Geschäftsbetrieb fortzuführen.

Ist das Geld bei einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre verloren?

Beruft sich ein Unternehmen auf das Eingreifen der vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre, setzt es die Zahlungen an die Investoren aus. Die Forderungen sind allerdings zunächst nur gestundet. Das Unternehmen wird versuchen, sich so Zeit zu verschaffen, um mit geeigneten Maßnahmen seine wirtschaftliche Situation zu stabilisieren. Sobald es dazu in der Lage ist, muss es die Zahlung der ausstehenden Zinsen und Tilgungen nachholen.

Hilft eine Kündigung, um Verluste zu vermeiden?

Bei Vermögensanlagen lassen sich die gegebenenfalls entstehenden Verluste in dieser Situation auch mit einer Kündigung des Darlehensvertrags nicht vermeiden. Zum einen können Darlehensgeber die Finanzierung im Regelfall nur aus wichtigem Grund vorzeitig beenden. Dazu gehören normalerweise unter anderem falsche Angaben im Vertrag, zweckwidrige Verwendung der Mittel und Missachtung der Reporting-Pflichten. Zum anderen darf, wer von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht gebraucht macht, den Darlehensbetrag zwar in voller Höhe mit sofortiger Wirkung zur Rückzahlung fällig stellen. Allerdings umgeht auch das nicht den qualifizierten Nachrang. Das Unternehmen schuldet insbesondere auch im Kündigungsfall nur dann Zahlungen, wenn nicht die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre eingreift.

Statt der Kündigung: Kann ein Gespräch mit dem Emittenten helfen?

Es lohnt sich deshalb, erst das Gespräch mit dem Emittenten zu suchen, bevor sich ein Investor entscheidet, den Darlehensvertrag zu kündigen. Denn wenn die Rückzahlungsansprüche, die infolge einer außerordentlichen Kündigung entstehen, das Unternehmen in wirtschaftliche Bedrängnis führen, haben Anleger nichts gewonnen. Zum einen greift wieder die Durchsetzungssperre: Das Unternehmen muss also nicht zahlen. Zum anderen steigt das Risiko eines Totalverlusts umso mehr, je angespannter die wirtschaftliche Lage des Unternehmens wird.

Welche Kündigungsrechte haben Anleger bei nachrangigen Wertpapieren?

Bei qualifiziert nachrangigen Wertpapieren verhält es sich wie bei Vermögensanlagen: Die Bedienung kann sich aufgrund des qualifizierten Nachrangs verzögern und eine Kündigung würde das Eingreifen des qualifizierten Nachrangs nicht vermeiden.

Welche Kündigungsrechte haben Anleger bei nicht-nachrangigen Wertpapieren?

Für Inhaber von nicht-nachrangig ausgestalteten Wertpapieren sieht es besser aus: Gemäß den Anleihebedingungen können sie aus sogenanntem „wichtigen Grund“ kündigen. Der liegt unter anderem bei Nichtzahlung von Kapital oder Zinsen vor. In diesem Fall können Anleihegläubiger ihr Wertpapier kündigen und dessen sofortige Rückzahlung zum Nennbetrag verlangen, zuzüglich etwaig aufgelaufener Zinsen.

Warum ist eine eigene Prüfung für Anleger vorab wichtig?

Bei qualifiziert nachrangig ausgestalteten Wertpapieren und Vermögensanlagen erhöht sich für Investoren das unternehmerische Verlustrisiko. Sie erhalten aber anders als die Gesellschafter keine Kontroll- oder Mitspracherechte. Damit haben sie auch nicht die Möglichkeit, auf dieses unternehmerische Risiko einzuwirken. Es ist deshalb besonders wichtig, ein potenzielles Investment im Vorfeld zu prüfen und zu bewerten.

Wo können sich Anleger informieren, bevor sie investieren?

Das Projektprofil auf der Seite der GLS Crowd enthält viele Informationen, anhand derer Investoren die angebotene Anlage beurteilen können. Bei Vermögensanlagen gibt es zudem das Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) und einen Muster- Darlehensvertrag zum Download, bei Wertpapieren das Wertpapierinformationsblatt (WIB) und die Anleihebedingungen. Projektspezifische Risikohinweise sind bei beiden Anlagen verfügbar. Wer über die Crowd in eine Vermögensanlage oder ein Wertpapier investieren möchte, sollte sich aber auf jeden Fall weitergehend informieren – auch über andere Quellen. Relevante Informationen zu einem Investment finden Anleger beispielsweise auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

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