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Agri-Photovoltaik: Doppelte Wertschöpfung auf einer Fläche
Die Energiewende und die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Während der Ausbau erneuerbarer Energien dringend vorangetrieben werden muss, steigt gleichzeitig der Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen. Dieser Nutzungskonflikt zwischen Energiegewinnung und Nahrungsmittelproduktion führt zu intensiven Debatten um die begrenzte Ressource Boden. Die innovative Agri-Photovoltaik (Agri-PV) bietet hier eine zukunftsweisende Lösung: Sie ermöglicht die gleichzeitige Nutzung von Flächen für Landwirtschaft und Solarstromerzeugung. Diese Technologie vereint nicht nur ökologische und ökonomische Vorteile, sondern kann einen wichtigen Baustein für die sozial-ökologische Wende bieten.
Funktionsweise und Technologie der Agri-PV
Hochaufgeständerte Systeme: PV-Module werden in mehreren Metern Höhe installiert, sodass teilweise sogar Landmaschinen darunter operieren können. Darunter gibt es zwei Systemarten:
- Süd-Anlagen: Fest installierte und möglichst nach Süden ausgerichtete PV-Module. Dienlich für den Anbau von sonnenempfindlichen Pflanzen oder Schattenpflanzen.
- Tracking-Anlagen: Bewegliche PV-Module, die dem Sonnenstand folgen.
Vertikale Systeme:
Bifaziale PV-Module
werden senkrecht aufgestellt. Dabei wird der Abstand zwischen den Reihen so gewählt, dass die Landmaschinen gut hindurchfahren können. Durch die Ost-West-Ausrichtung wird Strom auch in den Morgen- und Abendstunden erzeugt. Das Stromnetz wird durch zeitversetzte Einspeisung zur Mittagsspitze entlastet. Bestimmte Modularten (sog. “Solarzäune”) können für die Umzäunung der Agrarflächen genutzt werden.
Diese Infographik zu Agri-Photovoltaik der Agentur für Erneuerbare Energien verdeutlicht die Unterschiede der hoch aufgeständerten Agri-PV zu der vertikalen Agri-PV:
Vorteile von Agri-PV
- Effiziente Flächennutzung: Bis zu 90% der Fläche können weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden.
- Zusätzliches Einkommen für Landwirte: Durch die Stromproduktion entsteht eine neue Einnahmequelle.
- Schutz für Pflanzen: Die Module können die angebauten Nutzpflanzen vor extremen Wetterbedingungen wie Starkregen, Hagel und Frost, Dürre oder Erosion schützen.
- Antizyklische Stromproduktion: Besonders bei Ost-West-Ausrichtung wird Strom zu Zeiten produziert, wenn er besonders gefragt ist. Damit werden die Stromnetze entlastet und effizienter genutzt.
Herausforderungen bei Agri-PV
- Höhere Anfangsinvestitionen: Die Technologie und insbesondere die Aufständerung sind noch komplexer und damit kostenintensiver als bei herkömmlichen Freiflächen-PV-Anlagen.
- Anpassung landwirtschaftlicher Praktiken: Landwirte müssen ihre Arbeitsabläufe möglicherweise umstellen.
- Genehmigungsverfahren: Höhere technische und bauliche sowie pflanzenbauliche Anforderungen können Herausforderungen bei der Genehmigung darstellen.
- Akzeptanz in der Bevölkerung: Wie bei allen Freiflächen-PV-Anlagen kann es zu Bedenken bezüglich des Landschaftsbildes kommen – sog. “optische Beeinträchtigungen.”
Stand der Agri-PV in Deutschland
Der Ausbau der Solarenergie in Deutschland nimmt rasant Fahrt auf. Schon 2023 wurde das geplante Ausbauziel übertroffen: Statt 9 GW (Gigawatt) wurden 14,6 GW ausgebaut. Laut Fraunhofer-Institut liegt das geschätzte Potenzial für hoch aufgeständerte Agri-PV bei rund 1.700 GWp (Gigawatt peak). Die Bundesregierung hat die Bedeutung von Agri-PV erkannt und fördert deren Ausbau:
- Agri-PV-Anlagen sind nach dem EEG 2023 grundsätzlich auf allen Acker-, Dauerkultur- und Grünlandflächen förderfähig (ausgenommen Moorböden und Naturschutzgebiete).
- Das verabschiedete Solarpaket I der Bundesregierung sieht eine bevorzugte Bezuschlagung von Agri-PV-Anlagen vor.
- Das Potenzial sowie die Optimierung der Agri-PV werden weiterhin erforscht. Ein Beispiel ist das Forschungsprojekt VAckerPower des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, beauftragt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Es vergleicht die Praxistauglichkeit von vertikalen Agri-PV-Systemen mit hoch aufgeständerten Systemen für den Ackerbau. Forschungsobjekt ist Europas größte Agri-PV-Anlage der Firma Next2Sun GmbH in Donaueschingen-Aasen (Baden-Württemberg).
© Next2Sun AG
Chancen und Zukunftsperspektiven der Agri-PV
Agri-PV bietet enormes Potenzial für die Energiewende und eine nachhaltige Landwirtschaft. Experten schätzen, dass schon die Nutzung von einem Prozent der Agrarflächen für Agri-PV einen großen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Die Technologie kann dazu beitragen, Konflikte um Flächennutzung zu entschärfen und gleichzeitig die Resilienz landwirtschaftlicher Betriebe zu stärken.
Mit Stromgestehungskosten zwischen 7 und 12 Cent pro kWh (Kilowattstunde) ist Agri-PV heute schon wettbewerbsfähig mit anderen erneuerbaren Energiequellen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Technologie und die Skalierung versprechen weitere Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen.
Agri-Photovoltaik steht für eine zukunftsweisende Symbiose aus Landwirtschaft und erneuerbarer Energiegewinnung. Sie bietet die Chance, den steigenden Energiebedarf zu decken, ohne dabei wertvolle Agrarflächen zu verlieren. Weitere Anwendungsmöglichkeiten für vertikale Agri-PV sind die Umzäunung von Agrarflächen, aber auch von sonstigen Grundstücken, sowie die Aufstellung an Straßen Schienen und sogar neben Start- und Landebahnen an Flughäfen.
Fazit
Agri-Photovoltaik stellt einen innovativen Lösungsansatz für zwei zentrale Herausforderungen unserer Zeit dar: die Beschleunigung der Energiewende bei gleichzeitiger weitgehender Erhaltung von Flächen zum Anbau von Ackerpflanzen für die Nahrungsmittel- und Futterproduktion. Dieses Konzept vereint geschickt die Erzeugung von Solarenergie mit landwirtschaftlicher Nutzung und bietet damit einen nachhaltigen Weg zur Entschärfung des Flächenkonflikts zwischen diesen beiden essenziellen Sektoren. Obwohl die Umsetzung mit gewissen Hürden verbunden ist, überwiegen die positiven Aspekte und Potenziale deutlich. Dies macht Agri-PV zu einer zukunftsweisenden Technologie, die maßgeblich zur nachhaltigen Transformation unserer Energie- und Agrarsysteme beitragen kann.
FAQ
Agri-Photovoltaik (Agri-PV) ist eine innovative Technologie, die die Erzeugung von Solarenergie mit landwirtschaftlicher Nutzung auf derselben Fläche kombiniert. Es gibt zwei Hauptsysteme:
- Hochaufgeständerte Systeme: PV-Module werden mehrere Meter über dem Boden installiert, sodass darunter Landwirtschaft betrieben werden kann.
- Vertikale Systeme: Bifaziale PV-Module werden senkrecht aufgestellt, mit ausreichend Abstand zur landwirtschaftlichen Nutzung. Auch die Nutzung von landwirtschaftlichen Maschinen sowie die Haltung von Nutztieren wie Kühen und Rindern sind möglich.
Agri-PV bietet mehrere Vorteile:
- Effiziente Flächennutzung: Bis zu 90% der Fläche können weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden.
- Zusätzliches Einkommen für Landwirte durch Stromproduktion.
- Schutz für Pflanzen vor extremen Wetterbedingungen wie Starkregen, Hagel, Frost und Dürre.
- Entlastung der Stromnetze durch antizyklische Stromproduktion, besonders bei Ost-West-Ausrichtung.
Der Ausbau von Agri-PV in Deutschland nimmt zu:
- Das geschätzte Potenzial für hochaufgeständerte Agri-PV liegt bei etwa 1.700 GWp.
- Die Bundesregierung fördert den Ausbau: Agri-PV-Anlagen sind nach dem EEG 2023 auf den meisten landwirtschaftlichen Flächen förderfähig.
- Das Solarpaket I sieht eine bevorzugte Bezuschlagung von Agri-PV-Anlagen vor.
- Forschungsprojekte wie VAckerPower untersuchen weiterhin die Praxistauglichkeit verschiedener Agri-PV-Systeme.
Trotz der Vorteile gibt es einige Herausforderungen:
- Höhere Anfangsinvestitionen: Die Technologie ist komplexer und kostenintensiver als herkömmliche Freiflächen-PV-Anlagen.
- Anpassung landwirtschaftlicher Praktiken: Landwirte müssen möglicherweise ihre Arbeitsabläufe umstellen.
- Genehmigungsverfahren: Es können höhere technische, bauliche und pflanzenbauliche Anforderungen bestehen.
- Akzeptanz in der Bevölkerung: Bedenken bezüglich des Landschaftsbildes können auftreten.