Windrad und Solarpaneel Bild: Bild von Freepik

Das EEG 2023: Gesetzgebung verstehen und einschätzen

Lesedauer: 5 Min.

Am 1. Januar ist das EEG 2023 in Kraft getreten – die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetz. Sein Hauptziel: Den Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergiemix des Landes zu erhöhen für eine emissionsfreie Stromversorgung. Das Gesetz schafft die Grundlagen für den Übergang zu einer treibhausgasarmen Wirtschaft und soll Deutschland helfen, klimaneutral zu werden. Wir erklären die rechtlich-formalen Hintergründe – und wer vom EEG 2023 profitiert.

Das rechtlich-formale Fundament der Energiewende

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat die Bundesregierung im Jahr 2000 den Grundstein zum Ausbau nachhaltiger Energien gelegt und die rechtlich-formale Grundlage für die Energiewende geschaffen. Das EEG regelt den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland – inklusive aller mit der Erzeugung und Nutzung von Strom aus regenerativen Quellen verbundenen Privilegien, Vergütungen und Pflichten. Sein Zweck ist es, „im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung voranzutreiben“. Dafür sieht das Gesetz zwei grundlegende Instrumente vor: die „Anschluss- und Abnahmegarantie“ und die „garantierte Einspeisevergütung“. Strom aus erneuerbaren Energien hat dadurch im Netz Vorrang vor konventionellem Strom. Das schafft Investitionssicherheit für Betreiber von EEG-Anlagen.

Novelle mit ambitionierten Zielen

Seit der Einführung des EEG gab es mehrere Novellierungen. Die jüngste – EEG 2023 – ist Anfang des Jahres in Kraft getreten. Sie bringt das Ziel – die emissionsfreie Stromversorgung – näher: Das neue Gesetz schreibt schon für das Jahr 2035 eine treibhausgasneutrale, inländische Stromversorgung vor. Die Vorgängernovelle 2021 hatte die Erreichung dieses Zieles noch für das Jahr 2050 vorgesehen. Auch am Meilenstein auf dem Weg wurde gemeißelt: Das neue Ausbauziel bis 2030 liegt jetzt bei einem Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung von mindestens 80 Prozent. Vorher waren es 65 Prozent. Der Fokus liegt dabei weiterhin auf Photovoltaik und Windenergie.

Gesetzlich verankerte Bedeutung und neues Finanzierungsfundament

Mit dem EEG 2023 wird die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien erstmals gesetzlich verankert: Demnach liegen der Bau und Betrieb von Erneuerbaren-Energie-Anlagen „im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit.“ Das stärkt die Position der Erneuerbaren vor allem auch juristisch: In Zukunft können Parteien sich im Rahmen von Gerichtsverfahren oder Streitfällen auf diese Wertentscheidung beziehen. Grundlegend neu ist auch das Finanzierungs-Fundament für die Förderung der erneuerbaren Energien in Deutschland. Die Kosten für den Ausbau werden nicht mehr in Form einer „EEG-Umlage“ an die Verbraucher weitergegeben, sondern aus dem Bundeshaushalt finanziert.

Mehr Solarstrom von privaten Hausdächern

Damit Photovoltaik als eine wesentliche Säule die künftige Energieversorgung stützen kann, müssen sehr viel mehr Anlagen entstehen. Neben den kommerziellen Großbetreibern sollen beim Ausbau der Solarenergie künftig vor allem private Betreiber eine größere Rolle spielen. Die EEG-Novelle sieht deshalb wesentliche Verbesserungen für Photovoltaikanlagen auf privaten Dächern vor:

  • Es gibt eine höhere EEG-Einspeisevergütung
  • Die Unterscheidung zwischen Voll- und Überschuss-Einspeiseanlagen gilt jetzt auch für private Haushalte. Dafür kann man künftig zwei getrennte Anlagen auf einem Dach anmelden. Vor allem Hausbesitzer mit großen Dächern und gewerbliche Nutzer können dadurch vom Volleinspeisebonus profitieren. 
  • Es gibt für kleinere Anlagen keine 70-Prozent-Regel mehr. Bislang musste die Einspeiseleistung auf 70 Prozent der Nennleistung begrenzt werden, um eine lokale Überlastung des Stromnetzes zu verhindern. Jetzt können Privathaushalte ohne Energiemanagement ihre komplette Leistung ins Netz einbringen.
  • Einnahmen aus der Photovoltaik und Entnahmen für die Selbstversorgung sind künftig für die meisten Ein- und Mehrfamilienhäuser steuerfrei.
  • Auch die Umsatzsteuer beim Kauf von PV-Anlagen inklusive aller Anlagenkomponenten entfällt.
  • Weniger bürokratischen Hürden vereinfachen zudem den Netzanschluss. 

Doppelte Flächennutzung: Agri-PV und Floating-PV

Weil die Energieziele sich allein mit privater Photovoltaik nicht erreichen lassen, sieht die EEG-Novelle die Freigabe zusätzlicher Flächen für die gewerbliche Solarstromgewinnung vor. Hier will man vor allem neuen Konzepten Raum geben – und Areale doppelt nutzen. So lässt sich auf landwirtschaftlichen Flächen mit flexibel einsetzbaren „Agri-PV-Anlagen“ gleichzeitig Sonnenenergie gewinnen. Diese Anlagen sind dabei sogar mehrfach nachhaltig: Sie ersetzen Regenschutzfolien und Hagelschutznetze – und senken so die saisonale Plastikmüllproduktion – und spenden den Pflanzen Schatten, was deren Wasserbedarf reduziert. Eine sinnvolle Doppelnutzung von Flächen ermöglichen auch schwimmende Photovoltaik-Anlagen. Mit vielen künstlichen Gewässern, die sich aus technischer Sicht nutzen ließen, ist das Potenzial für Floating PV in Deutschland groß. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Forschungsprojekt PV2FLOAT unterzieht die Technologie derzeit einem Praxistest.

Mehr Windkraft an Land

Der verstärkte Ausbau von Offshore-Windanlagen ist eine Forderung des EEG 2023. Mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ will die Bundesregierung auch den Ausbau der Windenergie in Deutschland deutlich schneller voranbringen. Damit das gelingt, beschleunigt sie nicht nur Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das Gesetz gibt den Ländern auch Flächenziele für den Ausbau der Windenergie vor. Bislang sind bundesweit weniger als ein Prozent der Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen – wovon lediglich etwas mehr als die Hälfte tatsächlich verfügbar ist. Bis Ende 2032 müssen die Länder zwei Prozent ihrer Flächen bereitstellen. Dafür definiert das EEG 2023 die landesrechtlichen Mindestabstandsregelungen neu: Die Bundesländer dürfen zwar weiterhin entscheiden, wieviel Platz zwischen einem Windrad und Wohngebäuden sein muss. Gleichzeitig müssen sie aber sicherstellen, dass sie ihre Ausbauziele erreichen. 

Großer Speicherbedarf und neue Perspektiven für grünen Wasserstoff

Damit Strom aus erneuerbaren Energien die Versorgung in Deutschland sichern kann, muss er dann verfügbar sein, wenn er gebraucht wird, und dort, wo er gebraucht wird. Das setzt zum einen ausreichende Übertragungskapazitäten voraus. So sind zusätzliche Überlandleitungen nötig, die Strom über weite Strecken transportieren. Der Netzausbau ist deshalb ein wesentlicher Baustein der Energiewende. Zum anderen sind ausreichende Speicherkapazitäten nötig. Das EEG 2023 setzt hier auch auf grünen Wasserstoff. Das Gesetz erlaubt jetzt nicht nur Anlagen zur Erzeugung von Strom aus grünem Wasserstoff, an Ausschreibungen teilzunehmen. Der Bund will auch innovative Konzepte fördern, die erneuerbare Energien mit lokaler, wasserstoffbasierter Stromspeicherung kombinieren: Windenergieanlagen oder Solaranlagen mit einem chemischen Stromspeicher mit Wasserstoff als Speichergas. Das soll die für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien typischen Schwankungen auffangen.

Chance für Kommunen und Bürgerenergiegesellschaften

Wesentliche Erleichterungen bringt das neue EEG für die kommunale Energiewirtschaft. Städte und Gemeinden, die verstärkt auf erneuerbare Energien setzen, bekommen mehr Handlungsspielraum beim Bau und Ausbau von Anlagen. Zudem sollen Betreiber von Photovoltaik-Anlagen Kommunen finanziell beteiligen. Kommunen, die eigene Anlagen betreiben, können zusätzlich zur Deckung des Eigenverbrauchs Solarparks mit Volleinspeisung als Geschäftsmodell nutzen – ohne Ausschreibungspflicht. Allerdings geht das nur bis zu einer Leistungsgrenze von einem Megawatt. Die entfällt für sogenannte „Bürgerenergiegesellschaften“: Bürgerunternehmen und andere Genossenschaften können seit der Novelle neben Wind- auch Sonnenenergieprojekte realisieren – und das unbürokratisch, denn bei beiden sind sie weitestgehend von der Ausschreibungspflicht der Bundesnetzagentur befreit.  Das Ziel des EEG 2023: die Bürgerenergie zu stärken und die lokale Wertschöpfung zu unterstützen. Dafür gibt es flankierend ein neues Förderprogramm.

Fazit:

Mit dem EEG 2023 zieht das Tempo bei der Energiewende stark an. Entbürokratisierung sowie Öffnung für neue Technologien und Ansätze erleichtern die Realisierung von Wind- und Sonnenenergieprojekten. Privathaushalte und Bürgerenergie sollen beim Ausbau eine größere Rolle spielen. Beim Umstieg auf eine nachhaltige Energieversorgung will das neue Gesetz möglichst viele Menschen mitnehmen.

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